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AG Bildung Grundlagenpapier

Vorbemerkung

Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht.
dieBasis moderiert und begleitet einen grundlegenden Wandel unseres Bildungslebens hin zu selbstbestimmtem und begleitetem Lernen.
Jede Bildungseinrichtung entscheidet selbst, ob und wie sie sich an dem Wandel des Bildungswesens beteiligt.

Wir wollen hier anhand der 4 Säulen Freiheit, Machtbegrenzung, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz unsere grundsätzlichen Gedanken zum Thema Bildung darlegen.

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Die Säule der Freiheit

Aus tiefem Respekt gegenüber der Einzigartigkeit jedes Menschen wollen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass jeder Mensch sich im eigenen Rhythmus frei bilden und das in ihm angelegte Potential zur Entfaltung bringen kann.
Deshalb setzen wir uns für eine vielfältige und freie Bildungslandschaft ein, die auf dem Recht auf Bildung statt einer Schulpflicht beruht.

Lernorte sollen zugleich Lebensorte sein, in denen Gemeinschaften verschiedenster Menschen in einem Klima der Angstfreiheit selbstverantwortlich und individuell Bildung gestalten.

Jeder Mensch ist Lernender und Lehrender zugleich. Vertrauensvolle Beziehungen zwischen ihnen sind die Grundlage für freiheitliches, selbstmotiviertes Lernen.

Schulversuche sollen gefördert und nachhaltige Entwicklungen daraus abgeleitet werden.

Wir wollen auch Homeschooling und Freilernen ermöglichen, und die Eltern & Verbände dabei unterstützen.

Unter besonderem Schutz stehen nach unserem Selbstverständnis Kinder und junge Menschen.
Kinder benötigen in besonderem Maße Zuwendung, Nähe und menschliche Verbindlichkeit.

Dabei sind die Würde des Kindes, die Autonomie der Familie sowie die Eigenverantwortung der Eltern grundlegend zu achten.

Eltern sollen frei darüber entscheiden können, wann, wieviel und welche außerfamiliäre Kinderbetreuung sie in Anspruch nehmen wollen. Dafür sind die materiellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen und Eltern bei Bedarf durch Beratungsangebote zu unterstützen.

Soziale, emotionale, praktische, sportliche, geistige, künstlerische und spirituelle Fähigkeiten sollen sich gleichrangig entwickeln können.
Es steht nicht der Erwerb kognitiver Fähigkeiten, sondern die Qualität des Miteinanders zwischen Lehrenden und Lernenden an erster Stelle.

Wir wollen allen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu beruflicher und akademischer Bildung ermöglichen und theoretisches Wissen mit lebenspraktischen Fertigkeiten enger verknüpfen.
Über die Gestaltung der Schnittstellen zwischen verschiedenen Bildungsgängen bzw. zwischen Bildung und Berufstätigkeit werden die betroffenen Menschen gemeinsam beraten. Dies sollte als ein sich dynamisch entwickelnder Prozess geschehen.

Eine wechselseitige Durchlässigkeit der verschiedenen Bildungswege soll dabei gewährleistet sein.

Um die Freiheit von Forschung und Lehre zu stärken, reduzieren wir die Abhängigkeit der Wissenschaft von staatlichen, wirtschaftlichen oder Stiftungs-Drittmitteln. Eine ausreichende Grundfinanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist sinnvoll.

Die Forschungsförderung durch Dritte muss vollständig veröffentlicht werden.
Die Kooperation mit der Wirtschaft ist zum Erreichen praktisch relevanter Forschungsergebnisse grundsätzlich sinnvoll. Um die Durchsetzung partikularer statt auf gesellschaftlicher Übereinkunft beruhender Interessen zu kontrollieren, ist maximale Transparenz erforderlich.

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Die Säule der Machtbegrenzung

Ein würdevoller Umgang miteinander auf Augenhöhe wird von Lehrern, Schülern, Eltern, Rektoren, Studenten, Professoren, Auszubildenden, Mitarbeitern des Ministeriums etc. gepflegt.
Dieser Umgang beruht darauf, sich nicht gegenseitig als Objekt zu behandeln, Lernende nicht zum Objekt der Bewertung und Verurteilung zu machen, sowie auf gegenseitiger Wertschätzung.

Der Neurobiologe Gerald Hüther sagt: „Wenn es uns gelänge, einen Weg im Zusammenleben zu finden, dass wir Freude daran empfänden, sich selbst ernst zu nehmen und sein Gegenüber auch, also einander als Subjekt zu begegnen, anstatt gegenseitig als Objekt zu behandeln, dann gäbe es keine Arroganz mehr.“ 1

„Weil wir von Kind auf gelernt haben, dass uns die Erwachsenen zum Objekt ihrer Erwartungen und Bewertungen gemacht haben. Wir haben als Kind gelernt, dass eine Bewertung von dem, was ich tue, eine Bewertung meiner ganzen Person ist.“ Im herrschenden Schulsystem drehe sich praktisch alles um Bewertungen in Form von Zensuren und wir machen uns später selbst zum Objekt unserer eigenen Vorstellungen.

Selbstwirksamkeit erfahren statt Ohnmacht.
Wir wollen eine Machtbegrenzung in der Bildung: von Top-down zu Bottom-up. Dies bedeutet zunächst Hinhören, respektvolle informelle Gespräche aller Beteiligten und Raum für Reflexion. Weiter möchten wir praktikable, zeitschonende Wege suchen, um Mitspracherechte für Alle im Sinn von Basisdemokratie und der Suche nach Konsens auszuweiten. Bestehende Gremien wie Schülervertretung, Schul- und Fachkonferenzen sollen in diesem Sinn gestärkt und neue Wege der Zusammenarbeit erprobt werden.

Das „Kind“ steht im Mittelpunkt, von dort ausgehend gestaltet sich das Bildungsleben.
Schüler, Lehrlinge und Studenten werden viel stärker in die Schul-, Hochschul- und Unterrichtsgestaltung eingebunden. So kann etwa Schule zu einem Bildungscampus mit einem Lernhaus werden, wo die Auswahl aus vielfältigen Aktivitäten möglich ist. Statt Gängelei und Zeitdruck durch das Credit-System im Bachelor- oder Masterstudium sollen eigenes Forschen und die selbstorganisierte, individuelle oder gemeinschaftliche Erarbeitung von Wissen und Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Seminararbeiten, Praktika und partizipierende Vorlesungen sollen stärkeres Gewicht erhalten.

Bildung darf nicht von wirtschaftlichen oder staatlichen Interessen bestimmt werden und soll davon wieder finanziell unabhängiger sein.
Aus unserer Sicht gibt es dazu zwei Möglichkeiten:

  1. Finanzielle Gleichstellung von staatlichen und freien Schulen, Hochschulen sowie anderen Bildungswegen. Eine Wartefrist nach Schulgenehmigung fällt weg.
  2. Gleichberechtigte finanzielle Förderung jedes individuellen Bildungsweges, zum Beispiel über Bildungsgutscheine. Dabei werden staatliche Gelder in die Hand der Lernenden gegeben, um eine freie Entscheidung über den eigenen Bildungsweg zu ermöglichen.

Die Autonomie von Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird gestärkt und eine Paritätische Mitbestimmung eingeführt.
Aufbauend auf früheren Erfahrungen werden Modelle der Demokratisierung der Hochschulen breit diskutiert und an interessierten Einrichtungen erprobt. Denkbar ist etwa, dass die Gruppen Studenten – Professoren – andere Mitarbeiter – Bürgerrat gleichberechtigt über die grundsätzliche Ausrichtung der Forschung, die Vergabe von Mitteln sowie die Organisation und Methoden der Lehre entscheiden. Dies soll nicht abhängig von der jeweiligen Regierungsmehrheit sein.

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Die Säule der Achtsamkeit

Achtsam sein, mir selbst, anderen Menschen und der gesamten Natur gegenüber, ist die Voraussetzung, um gesund, frei und in Frieden miteinander leben zu können.
Achtsamkeit bedeutet wach und präsent sein. Es bedeutet, einander zu sehen und einander zuzuhören, uns mit allen Sinnen als lebendige, kreative und verletzliche Wesen wahrzunehmen.

Achtsamkeit bedeutet warmherziges Schauen mit liebevollem Interesse und Wertschätzung für sich selbst und die anderen.

Achtsamkeit gegenüber den Bedürfnissen lernender und lehrender Menschen bedeutet hinhören, hinschauen und gemeinsam Bildungskonzepte entwickeln.
Für unser Bildungsverständnis bedeutet dies, dass wir achtsam gegenüber den Bedürfnissen lernender und lehrender Menschen sind. Wir verzichten darauf, ihnen fertige Schulkonzepte und Lehrpläne vorzugeben, weil dies ihr Bedürfnis nach Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Kreativität und Vertrauen in ihre Potentiale unterdrücken würde. Stattdessen hören wir einander zu und entwickeln gemeinsam offene Bildungskonzepte, die generationsübergreifend und als Bindungsprozess innerhalb der Familie und anderer Gemeinschaften wirken können.

Achtsamkeit fördernde Räume und Entfaltungsmöglichkeiten
Wir Menschen lernen und werden erfolgreich durch persönliche Erfahrungen, aufgrund von Erfolgen und Irrtümern bei der Lösung von Problemen. Dafür braucht es einen abwertungsfreien, wohlwollenden und achtsamen Raum.

Die Aufgabe eines Bildungsortes ist es, das Gelingen zu organisieren, nicht das Misslingen zu dokumentieren.

So bewahren Menschen ihre angeborene Freude am eigenen Entdecken und am gemeinsamen Gestalten, ohne Angst vor Versagen und mit Mut zum gemeinsamen Erfolg.

Achtsamkeit erleichtert es, zunehmend an Bedeutung gewinnende Fähigkeiten wie Kreativität, Lösungskompetenz, Kooperation, Dialog und kritische Verantwortung wahrzunehmen und zu fördern.

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Die Säule der Schwarmintelligenz

Selbstbestimmung und Kooperation sind Grundlagen der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung.
Alle Menschen werden in ihrer emotionalen, sozialen, praktischen und theoretischen Intelligenz respektiert. Jeder soll in der Lage sein, sich mit seinen Bedürfnissen, Fähigkeiten, Interessen und Begabungen in die Gemeinschaft einzubringen.

Sozialkompetenzen wie Autonomie, Teamfähigkeit, Zuhören können, Empathie und Konfliktfähigkeit bilden das Fundament für die Entwicklung einer gesunden, selbstbewussten und kooperativen Persönlichkeit. Sie sind die Basis, um unser Leben zu unserem eigenen Wohl, dem Wohl unserer Mitmenschen sowie der ganzen uns umgebenden Lebenswelt gemeinsam gestalten zu können. Damit sie sich in uns entfalten können, braucht es neben Vorbildern auch vielfältige eigene Erfahrungen. Kinder erwerben sie im Spiel, im Zusammenleben mit Eltern, Geschwistern, Großeltern und Freunden.

Kindergärten, Schulen, Jugendzentren und andere Bildungseinrichtungen bauen auf diesen Grundlagen auf und fördern sie.

Wir wollen einen breiten Diskurs in der Gesellschaft darüber führen, wie lebenslanges Lernen gelingen kann. Voraussetzung dafür ist eine freie und konstruktive Debattenkultur.
Unser Bildungssystem ist seit Jahrzehnten im Umbruch. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu und vielfältige Erfahrungen mit selbstorganisiertem Lernen stehen einer oft hierarchischen Schulstruktur gegenüber, mit Lehrern als Organisatoren, Motivierenden, auch durch Noten und Sanktionen Belohnenden und Strafenden. Forderungen werden erhoben nach mehr Leistung, neuen Lerninhalten und -methoden entsprechend dem Fortschritt von Wissenschaft, Technik und Arbeitswelt.

Wir sehen diese Tendenzen nicht als einander grundlegend ausschließend an, sondern wollen den Dialog mit allen Beteiligten über ein breites Spektrum von “guter Bildung” voranbringen.

Wir wollen gemeinsam die Vielfalt der Bildungsmöglichkeiten stärken.
Es gibt im Bereich der Bildung eine große Vielzahl von Erfahrungen und Erkenntnissen, Wünschen und Bedürfnissen. Wir als dieBasis wollen keine Bildungsmodelle favorisieren und nicht Lernziele und Lerninhalte in detaillierten Katalogen vorschreiben.

Die Ausarbeitung und Anwendung konkreter Methoden, pädagogischer Konzepte, Strategien und Lerninhalte sollte in der Hand von Eltern, Kindern, Betreuenden, Lehrenden und Lernenden oder sich wissenschaftlich mit Bildung befassenden Menschen, wie z.B. Pädagogen, Psychologen oder Neurobiologen, liegen.

Wir setzen uns für die länderübergreifende Anerkennung und flexible Handhabung von Bildungsabschlüssen ein.

Bildungsministerium und Schulämter sollen entbürokratisiert, Vorschriften und Berichtspflichten möglichst reduziert oder offen, vertrauensvoll und eigenverantwortlich gehalten werden. Das gilt auch in Bezug auf Gesundheit und Hygiene. Starre Abstands-, Masken-, Test- sowie direkte oder indirekte Impfpflichten lehnen wir ab.

Wir organisieren Orte der Begegnung und des Austausches.
Statt Gängelei durch Politik und Verwaltung wollen wir Unterstützung bei der Entwicklung von Bildung organisieren. Wir schaffen Begegnungsmöglichkeiten auf Landesebene, regionaler Ebene, an Schulen und anderen Bildungsorten zwischen allen an der Bildung beteiligten Menschen, externen Experten und gesellschaftlichen Gruppen.

Die Vernetzung von Eltern, Schülern und den verschiedenen Bildungsinitiativen wird gefördert.

Bewährte Orte der Lehrerfortbildung sollen ausgebaut und finanziell ausreichend gefördert werden, neue geschaffen werden. Zusammen mit der Neueinstellung von Lehrenden möchten wir den zeitlichen Freiraum für Weiterbildung ausweiten; dies schließt auch die Einführung eines Sabbatsemesters zur Reflexion und zum Sammeln von neuen Erfahrungen ein.

Die Verbindung von schulischer und außerschulischer Bildung mit der Wissenschaft muss verstärkt werden. So sollen etwa Studierende von Anfang an regelmäßige praktische Erfahrungen sammeln und ihre Ideen einbringen.


1 Quelle: Selbst-Bewusstsein und Co-Kreativität – Dr. Gerald Hüther
https://youtu.be/mqPMduxo2DY
Veröffentlicht am 18.02.2016, Götz Wittneben im Gespräch mit Dr. Gerald Hüther

Ergebnisse der Konsensierung dieses Grundlagenpapiers

Bewertungsfrist = 28.10.2021
Teilnehmer = 26

Grundlagenpapier Bildung Thüringen
TitelAkzeptanzAnzahl Bewertungen
Vorbemerkung95,00 %22
Die Säule der Freiheit90,00 %22
Die Säule der Machtbegrenzung96,00 %21
Die Säule der Achtsamkeit93,00 %22
Die Säule der Schwarmintelligenz95,00 %22
Passivlösung: Wir entscheiden, das Grundlagenpapier Bildung Thüringen jetzt noch nicht zu bewerten, sondern erst weiter zu entwickeln.50,00 %19
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