Freiheit bei Corona-Schutzmassnahmen Neudefinition Inzidenzwert

Die folgenden, nun aktualisierten Vorschläge habe ich am 9.2.2021 an Thüringer Landtagsabgeordnete, das Gesundheitsministerium (TMASGFF), den wissenschaftlchen Beirat der Landesregierung sowie das Referat Bürgeranliegen der Staatskanzlei Thüringen geschickt. Bisher ohne direkte Reaktion, aber der Brief hat hoffentlich Tendenzen bei dem einen oder der anderen verstärkt, wissenschaftlich begründetere, vorsichtigere und weniger autoritäre Wege der Eindämmung der seit Ende 2020 abklingenden Covid-19-Pandemie einzuschlagen.

Freiheit bei Corona-Schutzmaßnahmen – Vorschlag für eine validere Definition des Inzidenzwerts

  1. Die Zahl der Covid-19-Neuerkrankungen geht seit Ende letzten Jahres zurück.
  2. Es gibt keine Evidenz, dass neue Virus-Mutationen längerfristig ansteckender oder gefährlicher sind. Im Gegenteil geht der Anteil von B.1.1.7 an allen SARS-CoV-2-Viren in besonders betroffenen englischen Regionen seit Anfang Januar 2021 zurück. (1) Die Quote positiver Tests für diese Variante sinkt in ganz Großbritannien seit Anfang oder MItte Januar. (2) Außerdem sinkt die allgemeine Inzidenz in Großbritannien und Irland seit Jahresanfang. (3)
  3. Erst recht ist die Wirksamkeit von Lockdown-Maßnahmen unter Wissenschaftlern umstritten.

Daher halte ich weitere Einschränkungen der grundgesetzlich verbrieften Rechte für unverhältnismäßig (Säule der Machtbegrenzung). Stattdessen sollte auf transparente, ein breites Urteilsspektrum abdeckende Information gesetzt werden (Schwarmintelligenz). Dann sind freie Entscheidungen der BürgerInnen möglich, um Vor- und Nachteile von Kontaktbeschränkungen oder Geschäftsschließungen abzuwägen (Freiheit) – für sich selbst, ihre Kinder, Alte oder Einsame (Achtsamkeit).

Dies wird wohl vorerst ein von einer immer größer werdenden Zahl von Menschen geteilter Traum bleiben, denn in der Runde der MinisterpräsidentInnen und der Kanzlerin vom 10. Februar 2021 wurde der Lockdown im Wesentlichen bis 7. März verlängert. Der Vorschlag der Landesregierung vom 9. Januar für einen 5-Stufen-Plan zur Einschränkung des öffentlichen Lebens während der Corona-Pandemie (4) sieht immerhin einen geregelten Ausstieg aus den autoritären Maßnahmen vor. In diese Richtung sollte weiter gearbeitet werden – jedoch hauptsächlich im Sinn freiwilliger Empfehlungen.

Als problematischen Ansatz sehe ich die starke Fixierung des Stufenplans auf starre Grenzwerte der nicht valide definierten 7-Tage-Inzidenz. Weitere Kriterien neben der Inzidenz sollten stärker in die Regeln aufgenommen werden. Ein R-Wert von 0,8 ist ungeeignet, da er bei einem niedrigen, stabilen Infektionsgeschehen um 1 pendelt, also ohne Gefahr auch tageweise über 1 liegen kann. Sinnvoll ist dagegen die Aufnahme des Kriteriums der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Es müsste expliziter in die Lagebewertung eingehen. Auch hier sollten – wie teils bereits bedacht – nicht nur absolute Zahlen im Vordergrund stehen, sondern auch deren Entwicklung betrachtet und qualitative Studien zur individuell wahrgenommenen Belastungssituation durchgeführt werden. Und natürlich müsste vorrangig das Gesundheitssystem gestärkt werden, etwa durch Personalaufbau und auch das Training von freiwilligen HelferInnen für den Notfall.

Die Inzidenz hängt stark von den Kriterien für die Tests und von deren Anzahl ab. So sank deren Zahl in der 52. und 53. KW 2020 auf die Hälfte, um dann in der 1. KW 2021 wieder um ca. 50 % anzusteigen; glücklicherweise ist die Zahl seitdem relativ stabil. Weitgehend parallel entwickelte sich die 7-Tage-Inzidenz, deren sprunghafter Anstieg ab 7. Januar somit künstlich ist. (5) Auf eine solche Variable kann man keine rationale Politik aufbauen, schon gar nicht wenn sie auf massive Grundrechtseinschränkungen zielt.

Daher hier ein Vorschlag, um wenigstens die Inzidenz an die Anzahl der SARS-CoV-2-Tests zu koppeln:

Inzidenz_pro_Test = Inzidenz / Testzahl der Vorwoche

Beispiel: Eine bundesweite Inzidenz von 90 am 31.1.2021 würde dann mit einer Testzahl von 1.116.314 in der 4. KW umgerechnet in eine Inzidenz_pro_Test von 0,000080622. Zur besseren Kommunikation könnte eine Mikro-Inzidenz-Quote (MIQ) von 80,6 definiert werden. Ein Grenzwert sollte dann bei Erlass einer Verordnung (oder doch endlich eines Corona- Schutzgesetzes?) umgerechnet werden. Im Beispiel würden Maßnahmen ab einer bisherigen Inzidenz von 100 bei einer MIQ von 100 * (1.000.000 / 1.116.314) = 89,6 erlassen werden. Man könnte auch freundlich auf 100 aufrunden, dann wäre man beim gleichen Wert, müsste natürlich die alte und neue Statistik klar auseinanderhalten.

Das wichtigste aber ist: Keine Angst(mache), sondern ein klarer Blick auf Gesundheitsgefahren aus vielen Perspektiven. Und dabei bitte soziale, ökonomische oder kulturelle Bedürfnisse der Menschen nicht vergessen!

Johannes Wollbold, Mitglied der Basisdemokratischen Partei, LV Thüringen

Quellen:

(1) Tweet Wes Pegeden vom 22.1.2021, nach Daten des Office for National Statistics (ONS) Infection Survey, vgl. (2)
[https://twitter.com/WesPegden/status/1352607414823084032]

Tweet Wes Pegeden

(2) Coronavirus (COVID-19) Infection Survey, UK: 12 February 2021, Figure 5 [https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/healthandsocialcare/ conditionsanddiseases/bulletins/coronaviruscovid19infectionsurveypilot/latest#percentage-of-those- testing-positive-compatible-with-the-new-uk-variant]

(3) https://www.zdf.de/nachrichten/heute/coronavirus-ausbreitung-infografiken-102.html vom 16.2.2021

Inzidenz nach Land

(4) https://www.tlz.de/media/article231522373/-9921/Stufenplan_Corona_Th%C3%BCringen.pdf

(5) Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), 10.02.2021 [https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/ Feb_2021/2021-02-10-de.pdf?__blob=publicationFile]

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